Es sind Sommerferien. Alle freuen sich auf Sonne, Meer und Eis – und zeitgleich brennt die Erde. Und ich meine damit nicht nur die heißen Sonnenstrahlen bei 38°C – viele Regionen, wie Waldgebiete, brennen in Deutschland und vor allem der Welt lichterloh. Aber wer hat schon Lust, sich jetzt den Sommer – vor allem nach diesen schweren Pandemie-Jahren – versauen zu lassen? Die Absurdität der Klimakrise hat mir diese Woche wieder einmal einen Schlag ins Gesicht geliefert und mich in einen tiefen Weltschmerz gestürzt.
Letztens wurde ich in ein Gespräch mit meinem Nachbarn (ein älterer, wohlsituierter Herr) verwickelt, während wir beide auf der Straße standen und dabei zusahen, wie das Gerstenfeld vor unserer Wohnsiedlung niederbrannte. Meine Knie waren weich, ich hatte so einen Brandherd noch nie gesehen, gehört oder gerochen. Ohne Witz, die enorme Lautstärke eines solchen Feuers habe ich wirklich noch nie gehört. Es war eine rohe Gewalt, die auch für die lokale Feuerwehr eine Herausforderung darstellte, vor allem weil der Wind nicht freundlich mitspielte. Während ich mich darüber wunderte, warum so viele Zuschauer*innen auch noch in der Rauchschneise standen (ersticken die denn nicht!?), redete der besagte Nachbar auf mich ein: In was für einem fatalen Zustand die Welt ist, und wie überhaupt alles noch schlimmer wird, und der Mensch ist ja ausschließlich ein egoistisches Wesen. Am schlimmsten seien junge Frauen WGs, ihr wisst ja, wie viel Wasser die verschleudern? Mein Blick löste sich vom Feuer auf sein verschwitztes Gesicht, dann auf den 2m tiefen Privatpool, der den Garten seines Einfamilienhauses schmückte. Ich spürte so viel Schmerz und Verzweiflung, dass ich wie paralysiert da stand.
Zwischen Angst und Gleichgültigkeit
Wir alle kennen das Gefühl: Wie sollen wir den Arbeitstag überleben? Was kann ich im Büro tragen, wenn ich doch lieber nackt auf den Badfliesen liegen möchte? Wohin verkrieche ich mich, wenn in meiner Dachgeschosswohnung die Hitze brütet? Und dann schauen, lesen, hören wir Nachrichten: Brände in Teilen des Landes und Kontinents zerstören Wohnraum für Millionen Tiere. Und da denken wir schon nicht mal mehr an den Amazonas. Mensch und Tier verendet an den Folgen der Hitze. Und das nicht erst seit diesem Sommer.
In vielen Gemeinen, wie in Italien, sind die Menschen erneut durch die extreme Dürre zum Wassersparen gezwungen. Lasst es euch kurz auf der Zunge zergehen: sauberes Trinkwasser, eine lebensnotwendige Ressource, die wir hierzulande selbstverständlich aus dem Wasserhahn beziehen: sie ist knapp. Unsere überheblichen Privilegien schwinden teilweise. Und während diese Nachrichten mich auch in diesem Jahr mit Sorge erfüllen, sprengt ein stolzer Eigentumsbesitzer seinen exzellenten Englischen Rasen täglich mit hunderten Litern Trinkwasser oder wäscht sein Auto in der Einfahrt. Wenn kein akuter Notstand herrscht oder die absolute Katastrophe eingetreten ist, sprechen wir lediglich eine Empfehlung aus, nicht alles zu verbraten. Wer hat schon Lust auf Verbote und Verzicht? Was bei praktischen Spar-Empfehlungen unserer Bundesregierung gerne zu kurz kommt: einige Bürger*innen sind beim Sparen am Limit oder haben nichts, was sie sparen könnten. Für andere heißt Sparen wiederum, ein fleischfreier Tag in der Woche, nur noch zweimal die Woche zu baden, oder den Rasen nur noch jeden zweiten Tag bewässern. Für viele herrscht jedoch die bloße Angst, nicht mehr über die Runden zu kommen, wenn Lebensmittelpreise explodieren und die Heizkostenrechnung im Winter unbezahlbar wird.
In den letzten paar Wochen habe ich zu mehreren Frauen Kontakt gehabt, die genau dieselben Zweifel und Sorgen äußerten, wie ich sie seit einiger Zeit empfinde: Kann ich überhaupt noch verantwortungsbewusst Kinder in diese Welt setzen? Als Frau mit Ende 20 ist das eine ernsthafte Frage, die ich mir stelle. Was bei meinen Mitmenschen im höheren Alter auf Unverständnis stößt, beschäftigt aber derzeit viele junge Menschen, mit denen ich spreche. Das sind ernstzunehmende Zukunftsängste – nicht nur für Individuen, sondern für die ganze Gesellschaft. Wie also wollen wir bitte unsere kollektive Zukunft sichern?
Darstellung und Wahrnehmung
Oft stelle ich mir die Frage, ob die gesamte Klimakrise, einfach zu abstrakt ist, um sie zu greifen. Ich denke, ja und nein. Zum einen haben wir Zahlen auf der Hand, die klipp und klar für sich sprechen. Es gibt Gutachten, die alarmierend sind. Für viele von uns sind diese Werte allerdings irgendwelche abstrusen Zahlen, die “weit weg” wirken. Glaubt mir, ich interessiere mich generell für Zivilgesellschaft und Nachhaltigkeitsthemen, habe aber kaum die mentalen und zeitlichen Ressourcen, mich tief in die Materie einzuarbeiten. Ihr standet bestimmt auch schon da, und dachtet: Was bedeutet schon das 1,5°C-Ziel? Und 3 bis 4° Celsius Erderwärmung, das klingt ja jetzt garnicht so viel, oder? Die Bedeutung von Statistik und Prognose ist für einen Großteil der Bevölkerung schwer greifbar – und wer hat schon Lust und Muße in seiner Freizeit Scientific Paper zum Thema zu lesen?
Was der Mensch oft etwas besser versteht, sind Geldsummen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) hat gemeinsam mit dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung mbH (GWS) die Kosten der Klimafolgen in Deutschland mal schätzen lassen. Die Schäden, die durch Naturkatastrophen wie Hitze oder Flut entstehen, beziffert das Projektteam um Dr. Jan Trenczek allein seit 2018 auf mindestens 80 Milliarden Euro. Die extremen Sommer 2018 und 2019 sowie die Flutkatastrophe 2021 tragen maßgeblich zu diesen Werten bei.
Diese ganzen Daten, Zahlen, Fakten mal ins Verhältnis zu setzen, ist aber nicht Aufgabe jedes Individuums – denn natürlich wirkt das komplett überfordernd. Dafür gibt es in meinen Augen eine ganze Wissenschaft für sich: die Wissenschaftskommunikation und der Journalismus spielen hier eine bedeutende Rolle. Medien spielen bei der Darstellung der Klimakatastrophe eine gravierende Rolle. Doch dort, wo dramatischere Bilder und Schlagzeilen sonst gut funktionieren, kann der Journalismus den Zusammenhang zwischen Naturkatastrophen, wie die Hitze und Dürre oder Flutwellen, und der gesamten Klimakatastrophe m.E. nicht richtig transportieren.
Häufig werden, wenn beispielsweise aktuell über Hitze berichtet wird, die Beiträge mit Bildern von spaßigen Dingen untermalt: Sonne, Wasser, Freibad oder Eis essende Kinder. Und ja, man könnte sagen, das sind ja nur die Bilder – aber vor allem Bilder bleiben im Kopf. Vielleicht liegt es daran, dass auch zukünftige Ereignisse (also die Folgen dieser Entwicklungen) nur schlecht fotografisch festhalten werden können. Doch inzwischen müssen wir garnicht weit in die Zukunft schauen, um die Folgen der Katastrophe zu verstehen. Wir sind mittendrin. Auch das verwendete Vokabular trägt stark dazu bei, wie wir diese Krise wahrnehmen.
Während bei Migrations- und Fluchtbewegungen (die übrigens auch oft mit Folgen von Klimakatastrophen zusammenhängen können) zu oft ein drastisches und negatives Vokabular verwendet wurde, liest und hört man in den vergangenen Tagen von beinahe legendären “Temperaturrekorden”. Und der erste Platz geht an Hamburg – das klingt doch ganz geil, oder?
Glückwunsch an den ehrenwerter Sieger! Die Absurdität in der durchaus positiven Konnotation des Vokabulars oder der Bildauswahl beschreibt das Problem ganz gut.
Um auf diese Problematik zu reagieren, hat sich im vergangenen Jahr das Netzwerk Klimajournalismus Deutschland gegründet, mit dem Ziel, sich über eine angemessene Berichterstattung über die Klimakrise auszutauschen. Die Problematik wird also durchaus erkannt, doch die Entwicklungen verlaufen – ähnlich wie in der politischen Reaktion – viel zu schleppend. Ich sehe die journalistischen Medien in der Verantwortung, zum einen die Krise deutlich zu benennen, zum anderen aber auch die komplexen Sachverhalte aufzuarbeiten und den Medienkonsument*innen näher zu bringen. Nur so können mündige Bürger*innen ihre Rolle und eigene Verantwortung in der aktuellen Situation verstehen und Druck auf die Politik in ihrer Region, in ihrem Land und und auf ihrem Planeten ausüben, angemessen zu reagieren und zu handeln.
Wenn Schüler*innen weltweit sich gezwungen sehen, von der Schule fernzubleiben, und Wissenschaftler*innen ihre Arbeit niederlegen, um lautstark auf die Umstände hinzuweisen, dann ist im Journalismus und in der Politik definitiv auch Luft nach oben.
Quellen und nützliche Links zur weiteren Lektüre
Asmuth, Tobias (2014): Katastrophen und ihre Bilder. https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/medienpolitik/172085/katastrophen-und-ihre-bilder/ abgerufen am 05. August 2022.
Brinkmann, Sören (2021): Berichterstattung über Klimawandel – Journalismus oder Aktivismus? Beitrag vom 08.07.2021: https://www.deutschlandfunk.de/berichterstattung-ueber-klimawandel-journalismus-oder-100.html
Kessler, S. H., Reifegerste, D. & Guenther, L. (2016). Die Evidenzkraft von Bildern in der Wissenschaftskommunikation. In: G. Ruhrmann, S.H. Kessler und L. Guenther (Hrsg.): Wissenschaftskommunikation zwischen Risiko und (Un-) Sicherheit. S. 171-192.
Lobo, Sascha & Jule (2022): Hitze, the fun part of global warming. Feel the news. Podcastfolge vom 21. Juli 2022. https://open.spotify.com/episode/3gOjhZ3Mx7vUsVH6cdWkoK?si=127a3d6c58644f86
NDR Online: Wasser im Haushalt und Garten sparen und die Umwelt schonen. Beitrag vom 01. Juni 2022. https://www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/Wasser-im-Haushalt-und-Garten-sparen-und-die-Umwelt-schonen,wassersparen102.html
Netzwerk Klimajournalismus: https://klimajournalismus.de
Schouwink, Theresa (2022): Der Mensch und sein Verhältnis zur Natur: Vom Animismus lernen. Beitrag im Philosophischen Magazin vom 11.März 2022: https://www.philomag.de/artikel/vom-animismus-lernen abgerufen am 11. August 2022.
Trenczek, Jan et al. / Prognos AG (2022): Studie zu den Kosten der Klimakrise in Deutschland. Untersuchungsgegenstände und Einzelberichte unter: https://www.prognos.com/de/folgen-klimakrise abgerufen am 06.August 2022.
Renner, Karl N. (2013). Journalistische Wirklichkeitserzählungen und fotografische Bilder. Vol. 2 No. 2 (2013): Narration in Journalism. https://www.diegesis.uni-wuppertal.de/index.php/diegesis/article/view/140/176