Internet und öffentliche Diskurskultur

Klassische Konzepte der Öffentlichkeit lassen sich auf die Grundgedanken der Deliberation zurückführen. Als Vorreiter und Begründer heutiger Diskurstheorien lassen sich die Überlegungen des deutschen Philosophen Jürgen Habermas heranziehen. Habermas arbeitet im Rahmen seiner deliberativen Diskurstheorie mit der Begrifflichkeit der öffentlichen Sphäre (Public Sphere), bei der die Teilhabe der Bevölkerung an gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen durch den diskursiven Austausch im Vordergrund steht. Dabei soll der öffentliche Austausch vor allem die Inklusion und Partizipation verschiedenster Positionen ermöglichen – der ideale Diskurs erlaubt allen den offenen Zugang und vermeidet damit Exklusion (Habermas 1990 [1962], S.156).

Das Internet und Social Media haben die politische Öffentlichkeit und Diskurskultur seit Habermas Grundüberlegungen stark beeinflusst. Der Vielfalt neuer Medienangebote, die durch das Internet ermöglicht werden, wird die Fähigkeit zugesprochen, Schwachstellen der klassischen Massenmedien zu überwinden und eine bessere Vernetzung inter- und transnationaler Kommunikationsprozesse auf individueller Ebene zu begünstigen. Die Multimedialität der Onlinekommunikation erreicht – ebenso wie die Massenmedien – ein breites Publikum, ermöglicht darüber hinaus aber neue Möglichkeiten zur Partizipation und Produktion eigener Inhalte.

Damit besitzen die neuen Austausch- und Partizipationsmöglichkeiten jedoch auch ihre Schwachstellen. In den vergangen zwei Jahren wurden einmal mehr antidemokratische Radikalisierungsprozesse und Hassdebatten auf den virtuellen “sozialen Plattformen” beobachtet, die sich in Verschwörungstheorien sowie Protesten und Aufmärschen, wie die Querdenken-Demonstrationen, oder dem Ansturm auf das US-Kapitol äußerten. Auch ließen sich zu den tragischen Attentaten in Halle und Hanau sowie der Ermordung eines Studenten an einer Tankstelle in Idar-Oberstein, die Radikalisierung der Täter in den sozialen Netzwerken nachverfolgen.

Die Chancen und Risiken, die “soziale” und patizipativer Plattformen bieten, und welche Bedeutung diese Entwicklungen für die demokratische Diskurskultur haben, ist eines meiner Leidenschaftsthemen, dem ich mich auf diesem Blog etwas intensiver widmen möchte.